Objekt des Monats November 2024
Seidenschwanz Bombycilla garrulus (Linnaeus, 1758)
Der Seidenschwanz ist ein starengroßer, unverwechselbarer Singvogel, der neben der typischen Flügelfärbung und -struktur (Abb. 1), die an den Einzelfedern auf dem Rupfungsbogen (Abb. 2) besonders gut zu erkennen sind, eine auffällige Kopfzeichnung mit Federhaube (Abb. 3) aufweist.
Neben dem bekannten Seidenschwanz enthält die kleine Familie Seidenschwänze, Bombycillidae, nur noch den nordamerikanischen Zedernseidenschwanz B. cedrorum und den Japanischen oder Blutseidenschwanz B. japonica. Allen drei Spezies gemein ist die schmale schwarze Augenmaske, der schwarze Kinnfleck und die aufstellbare Federhaube; die Hornplättchen an den Armschwingen der Flügel sind nur beim Seidenschwanz bei allen Individuen ausgeprägt, während sie beim Zedenseidenschwanz nur bei etwa der Hälfte der Adulttiere entwickelt sind und bei den Jungvögeln fehlen. Der Blutseidenschwanz hat nur rote Armschwingenspitzen. Die Schwanzendbinde ist bei ihm rot im Gegensatz zur gelben Binde bei den beiden anderen Arten. Diese und weitere Unterschiede sind an den Bälgen aus der ornithologischen Sammlung der ZSM (Abb. 4) gut zu erkennen.
Der Seidenschwanz brütet in den Wäldern des Taigagürtels. In Jahren mit einer guten Populationsentwicklung und wenn die Winternahrung abgesammelt ist, ziehen große Seidenschwanz-Schwärme nach Mitteleuropa und können dann auch bei uns truppweise bei der Futtersuche beobachtet werden.
3 Fakten über Seidenschwänze
- Namen: der Gattungsname setzt sich aus »bombyx« (Seide) und «cilla« (in der frühen Neuzeit für auffällige Schwänze bei Vögeln verwendet) zusammen. Die Bezeichnung Seidenschwanz geht wohl auf die gelbe Endbinde der Stoßfedern zurück, was einen feinen, seidenartigen Eindruck ergibt. Im englischen »Waxwing« sind die wachsartigen Hornplättchen an den Armschwingen namensgebend. In einigen Ländern Europas werden sie durch die winterlichen Invasionen auch als »Pestvögel« bezeichnet.
- Geflügelter Frutarier: Außerhalb der Jungenaufzucht ernähren sich Seidenschwänze überwiegend von Ebereschen-, Wacholder-, Schneeball-, Liguster- und Weißdornbeeren sowie Hagebutten, Äpfeln Birnen und anderen Früchten. Eine extrem große Leber erlaubt auch die schadlose Aufnahme von bereits angegorenen Früchten. Die Art gehört zu den wenigen Mistelverbreitern Mitteleuropas. Es werden in geringerem Maße aber auch andere Pflanzenteile aufgenommen. An die Jungen verfüttert werden Heidel-, Preisel- und Moosbeeren sowie Insekten, wobei Stechmücken einen beachtlichen Teil ausmachen.
- Hornplättchen: Die Funktion der wachsähnlichen Hornplättchen ist bisher nicht bekannt. Sie entstehen durch die Verlängerung des abgeflachten Federschafts. Für die rote Färbung ist der Pigmentfarbstoff Astaxanthin verantwortlich. Bei adulten Seidenschwanzmännchen können auch an den Steuerfedern Hornplättchen ausgebildet sein. Möglicherweise handelt es sich um ein Fitnessmerkmal, das den Weibchen besonders kräftige Männchen anzeigt.
Abbildungen
Abb. 1 (Artikelbild): Ausschnitt mit den Hornplättchen an den Armschwingen eines Balgs. Foto: M. Unsöld
Abb. 2: Rupfungsbogen eines Seidenschwanzes von Burcin Yurdakul (ZSM). Foto: M. Unsöld
Abb. 3: Kopfansicht mit dem kurzen Schnabel und dem ausgeprägten Federschopf. Foto: M. Unsöld
Abb. 4: Von oben nach unten: Blutseidenschwanz, Zedernseidenschwanz und Seidenschwanz. Foto: M. Unsöld
Abb. 5: Seidenschwanz mit der typischen Winternahrung, gemalt von Barbara Ruppel
Literatur
Glutz von Blotzheim, U., Hrsg. (1985) Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 10/II. AULA-Verlag GmbH, Wiesbaden
Wember, V. (2017) Die Namen der Vögel Europas. 3. überarb. Auflage. 2017. AULA-Verlag, Wiebelsheim
Markus Unsöld (Sektion Ornithologie)