Objekt des Monats Januar 2025

Schildschnabel oder Schildhornvogel Rhinoplax vigil (J. R. Forster, 1781)

Nashornvögel wirken »urig«, aber der Schildschnabel setzt dem noch die Krone auf. In der Luft sieht er mit seinem großen Kopf und geraden Schnabel, dem nackten, faltigen Hals, den breiten Schwingen und langen Stoßfedern aus wie ein befiederter Flugsaurier oder ein Fabelwesen aus einem Fantasyfilm.

Er ist aber auch ein Vogel der Superlative: Mit bis über 3 kg Gewicht ist er einer der schwersten seiner Familie Bucerotidae, und einschließlich den bis zu 90 cm langen Stoßfedern eine Gesamtlänge von 170 cm erreichend auch die längste Art. Er produziert die lautesten Rufe in den Wäldern seines Verbreitungsraumes. Eine weitere Besonderheit ist sein Hornaufsatz, der im Gegensatz zu allen anderen Nashornvogelarten massiv ist. Das hat auch einen guten Grund: Schildschnäbel verteidigen ihre Reviere gegen Artgenossen, indem sie aufeinander zu fliegen und sich wie Schafböcke mit den Köpfen rammen, was nicht nur einen weit durch den Dschungel hallenden Ton ergibt, sondern auch die Kontrahenten im Flug benommen taumeln lässt.

Doch leider ist diese Spezialanpassung der Hauptgrund für die Bedrohung dieser Art, denn sie eignet sich leider nicht nur für innerartliche Auseinandersetzungen, sondern auch sehr gut zum Schnitzen, wird als »Rotes Elfenbein« gehandelt und wohl schon seit Jahrhunderten genutzt. Doch im letzten Jahrzehnt nahm die Jagd auf Schildschnäbel so enorme Ausmaße an, dass die IUCN die noch 2012 in der Roten Liste als potenziell gefährdet (near threatened) geführte Art bereits drei Jahre später bereits als vom Aussterben bedroht (critically endangered) einstufte! Der einst häufige und weitverbreitete Vogel wird in seinem Verbreitungsgebiet, das sich von Indonesien bis zur Malaiischen Halbinsel erstreckt, immer rarer. In Singapur ist er bereits ausgerottet.

In der ornithologischen Sammlung der ZSM ist weder ein Balg noch ein Standpräparat des Schildschnabels vorhanden. Vor einigen Jahren stellte sich ein Herr in der ZSM vor, der einen Koffer samt Inhalt von seiner Tante geerbt hatte. Sie hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Zeitlang auf Neuguinea gelebt und scheinbar ein Faible für extravagante Vögel – oder Teile von diesen, denn im Koffer befanden sich neben einigen Paradiesvogelbälgen auch mehrere Oberschnäbel mit Hornaufsatz des Schildschnabels. Freundlicherweise überlies uns der Erbe einen davon, der nach dem ersten »Rätselhaften Objekt« im Biotopia Lab nun auch ein »Objekt des Monats« wurde.

7 Fakten über den Schildschnabel

  • Die Familie: Der Schildschnabel ist eine von 66 Nashornvogelarten aus 14 Gattungen, die in Asien und Afrika verbreitet sind. Hornvogel-Schnäbel erinnern etwas an die der neuweltlichen Tukane, sind aber viel variabler gestaltet und oft mit einem auffälligen, für die Gruppe namensgebenden Hornaufsatz assoziiert. Die nächsten Verwandten sind die deutlich schwereren (bis 6 kg) und bodengebundenen Hornraben, Bucorvidae.
  • Der »Casque« (franz. »Helm«) oder Hornaufsatz ist bei allen anderen Nashornvögeln in Leichtbauweise konstruiert und zeigt bei vielen Arten durch unterschiedliche Größe, Form und Färbung das Geschlecht oder Alter seines Trägers an. Zugleich dient er der Verstärkung ihrer Rufe, wie man es auch von einigen Sauriern mit Kopfaufsätzen annimmt. Nur beim Schildschnabel hat er eine neue Funktion bekommen und dient als »Rammbock«.
  • Nötiger Ausgleich: Der massive Hornaufsatz aus Keratin sorgt dafür, dass der Kopf des Schildschnabels 10 Prozent des Gesamtgewichts des Vogels ausmacht. Im Flug würde das dazu führen, dass er vorne Übergewicht bekommt. Deshalb hat diese Art mittlere Stoßfedern ausgebildet, die beim schwereren Männchen bis zu 90 cm Länge erreichen. Sie wirken im Flug ausgleichend. Ihre Wichtigkeit zeigt sich darin, dass diese Federn bei den Männchen nie gleichzeitig gemausert werden, damit der Vogel jederzeit voll flugfähig bleibt.
  • Vegetarischer Jäger: Zwar machen Früchte, vor allem Feigen, den Großteil des Schildschnabel-Speiseplans aus. Doch Reptilien, Kleinsäuger und Vögel sollten sich in einem besetzten Revier nicht in Sicherheit wiegen, denn die großen Vögel stellen ihnen nach und verschlingen selbst kleinere Nashornvogelarten.
  • Lebenslange Einehe: Schildschnäbel werden erst mit etwa sechs Jahren geschlechtsreif und verpaaren sich dann lebenslang, und das können bei dieser langlebigen Art mehrere Jahrzehnte sein. Solche Paare bilden Reviere im Bereich der oberen Baumkronen, 30 – 50 m über dem Boden, die sie gegen erwachsene Artgenossen verteidigen.
  • Eingemauert: Wie bei allen Nashornvogelarten mauert sich das Weibchen zur Brut in eine Baumhöhle ein und ist dadurch gut geschützt. Nach 45 Tagen Brutdauer schlüpfen aus den ein bis zwei Eiern die Jungen, von denen meist nur eines flügge wird. Die sichere Zeit in der Höhle nutzt das Weibchen auch zur Mauser. All das funktioniert nur, solange das Männchen seine Partnerin durch einen Schlitz versorgt. Wird es nun während dieser Zeit geschossen oder durch einen Prädator erbeutet, stirbt die ganze Familie.
  • Tödlicher Trend: Vor allem in China kamen die geschnitzten Casques des Schildschnabels in Mode, welche die Art neben Lebensraumzerstörung immer mehr an den Rand der Ausrottung bringen. Allein im Zeitraum 2012/13 wurden etwa 6000 Vögel gewildert und gehandelt. Auch noch so kunstvolle Schnitzereien dürfen nicht der Grund dafür sein, dass ein – zudem noch bedrohtes- Wildtier getötet wird. Bitte kaufen Sie im Urlaub keine Produkte aus wildlebenden Tieren oder Pflanzen! Sie bekommen damit nicht nur Probleme bei der Aus- oder Einreise, sondern fördern auch die Vernichtung der Biodiversität!

Abbildungen

Abb. 1, 2: Der Schildschnabel-Oberschnabel mit Hornaufsatz. Foto: M. Unsöld, ZSM

Abb. 3: Weibchen mit hell türkisfarbigem und Männchen mit rotem Hals. Foto: Roland Wirth, ZGAP

Abb. 4: Portrait eines Weibchens. Foto: Roland Wirth, ZGAP

Abb. 5: Die Jungvögel unterscheiden sich in der Augenfarbe, dem noch kleineren Hornaufsatz und dessen Färbung von den Altvögeln, wodurch sie eher geduldet werden. Die arttypischen langen Stoßfedern sind bereits voll ausgebildet. Foto: Roland Wirth, ZGAP

Literatur

Del Hoyo, J., Elliott, A. & Sargatal, J. eds. (2001) Handbook of the Birds of the World. Vol. 6. Mousebirds to Hornbills. Lynx Edicions, Barcelona

Unwin, M. (2022) In 80 Vögeln um die Welt. Laurence King Verlag, Berlin

Markus Unsöld