Objekt des Monats Mai 2025
Die Bekassine Gallinago gallinago (L., 1758)
Die drosselgroße Bekassine oder Sumpfschnepfe gehört innerhalb der Regenpfeiferartigen, Charadriiformes, zur Familie der Schnepfenvögel, Scolopacidae. Bei einer Länge von 25 bis 27cm entfallen 7cm auf den langen dünnen Schnabel. Im Englischen wird sie als »Common Snipe« (Gewöhnliche Schnepfe) bezeichnet, was auf ihr ehemals häufiges Vorkommen hindeutet. Als Brutvogel bevorzugt sie Moore, Feuchtwiesen und Wiesen, während sie zur Zugzeit vor allem auf Schlammflächen anzutreffen ist. Durch diese Habitatbevorzugung ist sie heute in Teilen ihres Verbreitungsgebietes sehr selten geworden.
Das Areal der Bekassine erstreckt sich von Westeuropa bis Kamtschatka. Bis auf die Mittel- und Hochgebirge ist sie zwar über ganz Bayern verbreitet, die regional begrenzten Vorkommen sind jedoch zumeist durch größere Lücken voneinander getrennt. Das gegenwärtige Brutareal hat sich im Vergleich zum Zeitraum 1996-1999 wesentlich verkleinert. Verbreitungsschwerpunkte liegen in Mittel- und Unterfranken und im voralpinen Hügel- und Moorland. Daneben gibt es viele isolierte Einzel- und Kleinstvorkommen. Zu einer Ausdünnung besiedelter Flächen kam es vor allem in der Oberpfalz und Niederbayern, auch in den Verbreitungsschwerpunkten.
Je nach Region kann die Bekassine sowohl Standvogel als auch Langstreckenzieher sein. Einige Populationen bleiben im Winter in ihrem Brutgebiet, während andere in die Subtropen und Tropen der Alten Welt wandern, um dort zu überwintern.
Die Nahrung der Bekassine ist vielfältig und umfasst im Wesentlichen Würmer, Schnecken und Insekten und deren Larven (v.a. Schnaken, Käfer und Schwebfliegen), gelegentlich auch Beeren und Samen. Um ihre Nahrung aufzuspüren und zu fangen, zeigt die Bekassine ein charakteristisches und interessantes Verhalten: das Stochern. Ihr Schnabel ist ein wahres High-Tech-Gerät, das sich im Laufe des Wachstums entwickelt und das den Vogel als hochspezialisierten Sondierer perfekt an seine Umgebung anpasst. In Feuchtwiesen trägt die Bekassine zur Aufrechterhaltung der Nahrungsnetze bei.
Der Bekassinen-Balg (Abb. 1) stammt von Geheimrat Prof. Franz Doflein (1873 – 1924) und wurde auf der Hinreise seiner Ostasienfahrt gesammelt, bei der er in Shanghai das Schiff wechseln musste und wohl so Zeit zum Sammeln fand. Über diese Reise hat er 1906 das sehr umfangreiche Werk »Ostasienfahrt: Erlebnisse und Beobachtungen eines Naturforschers in China, Japan und Ceylon« herausgebracht, in dem der Leser seine Reise sehr lebhaft nachvollziehen kann und viele seiner mitgebrachten Tiere in Text und Bild findet. Doflein leitete von 1902 bis 1912 die ZSM.
Die Bekassinen-Eier aus der Eier-Sammlung Pross (Abb. 2) wurden 1884 in Brandenburg gesammelt. Der auf dem Etikett angegebene Name Gallinago coelestris ist ein Synonym.
6 Fakten über die Bekassine
- Zwei Unterarten: Die Färöer-Bekassine Gallinago g. faeroeensis auf Island, Färöer, Orkney und den Shetlandinseln unterscheidet sich durch dunkleres, mehr rotbraunes Gefieder, einen rötlicheren Kopf und schmale helle Rückenstreifen von der weit verbreiteten Nominatform Gallinago g. gallinago.
- Lautmalerisch: Beim Balzflug, bei dem sich der Vogel aus großer Höhe fast senkrecht herabstürzen lässt, erzeugten die abgespreizten, äußeren Steuerfedern ein »wummerndes« Geräusch, das auch als »Meckern« bezeichnet wird. Diesem ganz charakteristischen »Gesang«, der sie von anderen Schnepfenarten unterscheidet, verdankt die Bekassine Namen wie »Himmelsziege« oder »Meckervogel«, »Moosbock« und »Himmelsgeis«, in Altbayern auch »Moosgeiß« und im Fichtelgebirge »Meckergoiß«. Die Bezeichnung bécassine stammt aus dem Französischen und bedeutet »kleine Waldschnepfe«, was zwar optisch, aber nicht ökologisch passt.
- Phan-Tastsinn-iger Schnabel: Der Schnabel vieler Vögel ist durch die sogenannten Herbstschen Körperchen ein sehr feinfühliges Tastorgan. Die Bekassine kann damit ihre Nahrung im Boden taktil wahrnehmen. Dabei stochert sie mit ihrem langen, geraden Schnabel in den oberen Bodenschichten und spürt dabei Kleintiere auf, die sie noch im Boden schluckt, indem sie den Oberschnabel nach oben biegt. Diese Anpassungen ermöglichen der Bekassine eine effiziente Nahrungssuche und macht sie zu einer äußerst präzisen und erfolgreichen Jägerin.
- Flotte Fortpflanzung: Bekassinen sind Bodenbrüter, die ihr Nest ab Anfang April gut versteckt auf feuchtem bis nassem Untergrund errichten. Ausschließlich die Weibchen bebrüten das Gelege mit durchschnittlich 4 (2-5) Eiern, aus denen nach 17–20 Tagen die Jungen schlüpfen. Das Männchen hält sich in Nestnähe auf und beteiligt sich an der Aufzucht. Die Jungvögel sind Nestflüchter, aber die erste Zeit auf eine Schnabel-zu-Schnabel-Fütterung durch die Eltern angewiesen. Bereits mit 19 bis 20 Tagen werden sie flügge und haben ihre volle Flugfähigkeit mit vier bis fünf Wochen erreicht.
- Bittere Ehre: Im Jahr 2013 wurde die Bekassine zum »Vogel des Jahres« gewählt, da sie nur noch in wenigen deutschen Feuchtgebieten und Mooren brütet und in der Roten Liste der gefährdeten Vögel Deutschlands in die Kategorie »Vom Aussterben bedroht« eingestuft werden musste.
- Was kann ich tun? Jeder einzelne kann seinen Teil zum Schutz der Bekassine und anderer auf Feuchtgebiete angewiesene Vogelarten beitragen. Der Kauf von torffreier Erde schützt Moore und damit auch den Lebensraum der Bekassine. Gerade zur Brutzeit (April bis Juni) sind Bekassinen und andere Vögel sehr störungsempfindlich und geben leicht ihre Brut auf. Bitte daher auf den Wegen bleiben und Hunde an der Leine führen. Etwas mehr Rücksicht auf andere Lebewesen hilft viel!
Abbildungen
Abb. 1: Prof. Dofleins weit gereiste Bekassine aus Shanghai. Foto: M. Unsöld, ZSM
Abb. 2: Zwei Eier aus einem 1884 in Brandenburg gesammelten Gelege. Foto: M. Unsöld, ZSM
Literatur
Del Hoyo, J., Elliott, A. & Sargatal, J. eds. (1996) Handbook of the Birds of the World. Vol. I. Hoatzin to Auks. Lynx Edicions, Barcelona
Hume, R., Still, R., Swash, A., Harrop, H. (2023) Die Vögel Europas. Franck-Kosmos, Stuttgart
Wember, V. (2017) Die Namen der Vögel Europas. 3., überarbeitete Auflage. Aula-Verlag, Wiebelsheim
Manfred Siering & Markus Unsöld