Objekt des Monats April 2024

Der Burmeister-Gürtelmull Calyptophractus retusus

Gürteltiere sind faszinierende Lebewesen. Innerhalb der Säugetiere sind sie die einzigen Vertreter, welche externe Panzer aus Hautknochenplatten, sogenannte Osteoderme, besitzen. Unser aktuelles Objekt des Monats ist vielleicht einer der kuriosesten Vertreter seiner Familie, der Chlamyphoridae, und gehört mit seiner Kopf-Rumpflänge von 12-16 cm zu den kleinsten Gürteltieren.

Der Burmeister-Gürtelmull (Calyptophractus retusus) ist in Südamerika verbreitet und bewohnt dort einen riesigen Trockenwald, den Gran Chaco, der Teile von Bolivien, Paraguay sowie Argentinien umfasst. Beide hier gezeigten Exemplare (Abb. 1), sowohl das Skelett als auch die Mumie, stammen aus der Nähe der Stadt Santa Cruz de la Sierra in Bolivien.

Zusammen mit seinem engsten Verwandtem, dem Kleinen Gürtelmull (Chlamyphorus truncatus) (Abb. 6), bildet er die Unterfamilie der Chlamyphorinae.

Äußerlich unterscheiden sich beide Arten auf den ersten Blick eher wenig, allein der Unterschied in der Größe ist auffällig. Der Kleine Gürtelmull, wie der Name schon vermuten lässt, ist im Durchschnitt deutlich zierlicher und erreicht eine Körperlänge von ca. 12 cm.

Bei genauerer Betrachtung unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer äußeren Morphologie hauptsächlich an ihrem Kopfschild, welches beim Kleinen Gürtelmull aus geordneten angereihten Kopfschuppen besteht, wohingegen die Kopfschuppen des Burmeister-Gürtelmull deutlich kleiner und unstrukturierter platziert sind. Besonders ist der sehr flexible, aus mehreren dünnen Knochenfilamenten bestehende Rückenpanzer, welcher beim Burmeister-Gürtelmull an der gesamten Rückenhaut befestigt ist, beim Kleinen Gürtelmull an dessen Kopfschild und Wirbelsäule.

Im Allgemeinen ist wenig über die Ökologie des Burmeister-Gürtelmulls bekannt. Er ernährt sich hauptsächlich von Insekten und lebt in selbst gegrabenen Tunnelsystemen, welche er nur für die Nahrungssuche verlässt. Beobachtungen sind daher extrem selten.

Besonders auffällig am Skelett ist die verknöcherte Platte, die sich an der Stelle des Steißbeins befindet und senkrecht zur Körperachse steht (Abb. 4). Diese besondere Knochenplatte wurde noch bei keiner anderen rezenten Gürteltierart beschrieben. Es wird angenommen, dass sie dazu benutzt wird, abgegrabenes Sediment aus den Tunneln zu schieben und sich vor Fressfeinden zu schützen. Auch am Körperbau lässt sich erkennen, dass der Burmeister-Gürtelmull perfekt für einen vollkommen grabenden Lebensstil angepasst ist. Die Augen sind stark reduziert und die Vorder- sowie Hinterfüße sind mit großen Krallen ausgestattet.

Den Schutzstatus beschreibt die IUCN als »data deficient«, also nicht ausreichend, um genaue Aussagen über die Bestände zu treffen. Der Mangel an Bestandsdaten ist vor allem seiner heimlichen, überwiegend im Boden lebenden Lebensweise geschuldet, die eine Datenerfassung extrem schwierig macht. Die Trockenwälder des Gran Chaco (Bolivien) werden seit einigen Jahrzehnten intensiv für landwirtschaftliche Zwecke, unter anderem für die Viehzucht und dem Anbau von Soja, genutzt. Illegale Rodungen sind keine Seltenheit in dieser Region. Diese enorme Einschränkung und Verkleinerung von passendem Lebensraum stellen eine starke Bedrohung der dort lebenden Populationen beider Gürtelmull-Arten dar.

Derzeit wir an der Zoologischen Staatssammung München an Gürtelmullen geforscht. Die große Anzahl von in der Sektion Mammalia vorhandenen Exemplaren beider Arten machen die ZSM zu einem idealen Ausgangspunk für morphologische Studien. Zum jetzigen Zeitpunkt liegt der Schwerpunk der Forschung auf der Untersuchung der Unterschiede in den Skelettmerkmalen auf Basis von MicroCT-Scans. Ziel der Arbeit soll eine vollständige Rekonstruktion der Skelette sein, die zu einem anschaulichen 3D Modell weiterverarbeitet werden.

3 Fakten über den Burmeister-Gürtelmull

  • Gigantische Verwandte: Im Jahr 2016 wurde festgestellt, dass die Glyptodonten, die größten und schwersten fossilen Gürteltiere, sehr nah verwandt mit den winzig kleinen Gürtelmullen sind. Diese nahe Verwandtschaftsbeziehung wirft evolutionär gesehen einige sehr interessante Fragen auf, welche leider bis jetzt noch nicht beantwortet werden konnten.
  • Eine harte Angelegenheit: Die posteriore Rumpfplatte, welche fest mit dem Becken verwachsen ist, weist entgegen vielen Erwartungen keinen massiven Bauplan auf, sondern zeigt bei Untersuchung durch CT-Scans eine eher hohle Struktur. Die Knochenplatte ist geprägt von einigen Hohlräumen, die sich mehr oder weniger gelichmäßig über das gesamte Osteoderm verteilen (Abb. 5).
  • Feenhaftes Auftreten: Im Englischen werden diese Tiere als »fairy armadillos«, zu Deutsch »Feen-Gürteltiere« (Abb. 7) bezeichnet. Ein sehr spezieller Name für ein Säugetier, doch bei der Betrachtung des zierlichen Körperbaues, sowie des märchenhaften Aussehens, kann man den Namen fast verstehen.

Text: Stefanie Luft

Bildlegende

Abb. 1 (Artikelbild): Skelett (1962/320) und Mumie (ZSM 1961/193) des Burmeister-Gürtelmulls, Fundort nahe Santa Cruz de la Sierra, Bolivien. Foto: M. Unsöld, ZSM

Abb. 2: Mumie (ZSM 1961/193) des Burmeister-Gürtelmulls, Fundort nahe Santa Cruz de la Sierra, Bolivien. Foto: M. Unsöld, ZSM

Abb. 3: Skelett (1962/320) des Burmeister-Gürtelmulls, Fundort nahe Santa Cruz de la Sierra, Bolivien. Foto: M. Unsöld, ZSM

Abb. 4: Blick auf die mit dem Becken verwachsene Knochenplatte. Foto: M. Unsöld, ZSM

Abb. 5: Die Hohlräume an der Außenseite der Knochenplatte ziehen sich auch im Inneren fort. Foto: M. Unsöld, ZSM

Abb. 6: Barbara Ruppel hat ein Faible für skurrile Tiere und neben anderen Gürteltieren auch den Kleinen Gürtelmull gemalt.

Abb. 7: Kleiner Gürtelmull aus dem Naturkundemuseum Buenos Aires. Foto: Frank Glaw, ZSM