Objekt des Monats Mai 2022

Der Riesenblattschwanzgecko (Uroplatus giganteus)

Die bizarren Blatt- oder Plattschwanzgeckos der Gattung Uroplatus sind in Madagaskar endemisch, kommen also nur in diesem ostafrikanischen Inselstaat vor. Die nachtaktiven Reptilien leben in den verbliebenen Regen- und Trockenwäldern, wo sie meist in der Vegetation zwischen ein und vier Meter über dem Boden zu finden sind. Mit ihren großen Augen können sie auch noch bei sehr schwachem Licht nach Insekten jagen.

Zehn der 21 bekannten Arten wurden erst seit der Jahrtausendwende beschrieben. Die Unterscheidung der Spezies ist – neben anderen morphologischen und genetischen Merkmalen – manchmal auch anhand der Färbung ihrer Mundschleimhaut möglich. So gibt es zum Beispiel Arten mit rosafarbiger, roter oder schwarzer Mundschleimhaut. Warum sie sich ausgerechnet in diesem Merkmal so deutlich unterscheiden, ist noch völlig unklar.

Uroplatus giganteus wurde 2006 aus dem Nationalpark Montagne d’Ambre im Norden Madagaskars beschrieben, kommt aber auch im Marojejy-Massiv und in anderen Gebieten im Nordosten der Insel vor. Mit einer Körperlänge von bis zu 20 cm und einer Gesamtlänge von bis zu 34 cm ist er eine der größten Geckoarten der Welt. Um in ihrem luftigen Lebensraum nicht den Halt zu verlieren, sind sie mit großen Haftfüßen und Krallen ausgestattet, mit denen sie sich in fast jeder Lage problemlos festhalten können. Die Haftlamellen an ihren Füßen erlauben ihnen sogar an senkrechten Glasscheiben zu klettern.

Ein naher Verwandter des Riesenblattschwanzgeckos ist der nur wenig kleinere Uroplatus fimbriatus, der in den Regenwäldern im Osten Madagaskars verbreitet ist. Er wurde bereits 1792 beschrieben und war damit unter den ersten Reptilienarten, die aus Madagaskar bekannt wurden.

Tagsüber schlafen die meisten großen Uroplatus-Arten eng angeschmiegt an der Rinde von Bäumen. Zusätzlich zu ihrer Rindenfärbung haben sie Hautfransen an den Körperseiten entwickelt, mit deren Hilfe sie die Schattenbildung verhindern und die Kontur ihres Körpers auflösen, so dass sie fast unsichtbar werden. Werden sie trotzdem entdeckt, können sie ihr großes Maul weit aufreißen und laute, fauchende Geräusche abgeben, um ihre Fressfeinde zu verunsichern und manchmal beißen sie auch zu.

Ihre gute Tarnung macht es äußerst schwierig, diese Geckos tagsüber zu entdecken. Um sie zu finden, muss man sich am besten mit einer guten Taschenlampe nachts in den Regenwald begeben…

Wer mehr wissen möchte, kann hier auf die wissenschaftlichen Arbeiten zugreifen:

Gehring, P.-S., S. Siarabi, M. D. Scherz, F. M. Ratsoavina, A. Rakotoarison, F. Glaw & M. Vences (2018): Genetic differentiation and species status of the large-bodied leaf-tailed geckos Uroplatus fimbriatus and U. giganteus. – Salamandra 54 (2): 132-146

https://www.salamandra-journal.com/index.php/home/contents/2018-vol-54/1904-gehring-p-s-s-siarabi-m-d-scherz-f-m-ratsoavina-a-rakotoarison-f-glaw-m-vences

Glaw, F., J. Kosuch, F.-W. Henkel, P. Sound & W. Böhme (2006): Genetic and morphological variation of the leaf-tailed gecko Uroplatus fimbriatus from Madagascar, with description of a new giant species. – Salamandra 42 (2/3): 129-144

https://www.salamandra-journal.com/index.php/home/contents/2006-vol-42/131-glaw-f-j-kosuch-f-w-henkel-p-sound-w-boehme

5 Fakten über Uroplatus

  • Historisch: Die ersten Beobachtungen an Uroplatus wurden bereits im Jahr 1658 von dem Naturforscher Étienne de Flacourt publiziert, aber es dauerte weitere 134 Jahre, bis die erste Art wissenschaftlich beschrieben wurde.
  • Belege für die Wissenschaft: Die Typusexemplare von neun der 21 beschriebenen Uroplatus-Arten werden in der Zoologischen Staatssammlung aufbewahrt, darunter auch der Holotypus von Uroplatus giganteus.
  • Sollbruchstelle: Im Unterschied zu den meisten anderen madagassischen Geckos können die blattartigen Schwänze der Uroplatus-Arten nur an ihrer Basis abbrechen und auch die Regeneration des Schwanzes scheint nicht bei allen Arten möglich zu sein.
  • Gut getarnt: Neben den großen Uroplaten, die Rinde imitieren, gibt es auch noch kleine Uroplatus-Arten. Sie schlafen auf dünnen Zweigen hängend und sehen aus wie verwelkte Blätter. Beide Strategien – die Rindenmimese der großen Arten und die Blattmimese der kleinen Spezies – sind jedoch gleichermaßen erfolgreich.
  • Gefährdung: Durch die fortschreitende Zerstörung der madagassischen Regen- und Trockenwälder wird der Lebensraum für die Uroplatus-Arten immer kleiner, allerdings wurden in den letzten Jahren viele neue Naturschutzgebiete eingerichtet.

Bildlegende

Abb. 1 (Artikelbild): Uroplatus giganteus ist eine der größten unter den mehr als 1000 Geckoarten aus der Familie der Gekkonidae. Foto: Frank Glaw

Abb. 2: Große weiße Augen mit einem charakteristischen Muster umgeben die senkrechte, schlitzförmige Pupille, die vier rautenförmige Erweiterungen einschließt. Foto: Frank Glaw

Abb. 3: Holotypus von Uroplatus giganteus (ZSM 269/2004). Foto: Frank Glaw

Abb. 4: Die kleinen Uroplatus-Arten imitieren keine Baumrinde, sondern verwelkte Blätter. Foto: Frank Glaw

Abb. 5: Der im Jahr 2011 beschriebene Uroplatus finiavana gehört zu den kleinen Arten, die nicht viel größer sind als ein menschlicher Finger. Foto: Frank Glaw