Objekt des Monats Dezember 2022

Der Schuhschnabel Balaeniceps rex Gould, 1850

Der Schuhschnabel ist ein unverwechselbarer und trotz seiner zurückgezogenen Lebensweise und der Seltenheit in Zoos sehr volkstümlicher Vogel. Mit einer Gesamtlänge von bis zu 140 cm, einer Flügelspannweite von 230 – 260 cm und einem Gewicht von 4,5 – 7 kg ist er eine stattliche Erscheinung, was durch den großen Kopf mit dem enormen Schnabel noch verstärkt wird.

Als einzige Art der Familie Balaenicipitidae wurde er ursprünglich in die Ordnung Schreitvögel (Ciconiiformes) gestellt, die heute nur noch aus den Störchen besteht. Alle anderen Familien – neben dem Schuhschnabel auch Hammerkopf, Reiher, Ibisse und Löffler – gehören nach derzeitiger Meinung mit den Pelikanen zu den Pelicaniformes. Die Vermutung einer Verwandtschaft von Schuhschnabel und Pelikanen ist schon sehr alt; bereits der britische Ornithologe John Gould (1804 – 1881), der Beschreiber des Schuhschnabels, vertrat diese Ansicht. Molekulargenetische Untersuchungen verdichten jetzt die Hinweise, dass der Schuhschnabel (evtl. gemeinsam mit dem Hammerkopf) die Schwestergruppe der Pelikane bildet.

Der Schuhschnabel bewohnt schwer zugängliche Sumpfgebiete Ost- und Zentralafrikas und lebt als Einzelgänger, weshalb nur wenig über seine Lebensweise bekannt ist. Auch zur Fortpflanzungszeit scheint sich das Paar nur selten gemeinsam am Nest aufzuhalten. Ein Gelege umfasst bis zu drei Eier; allerdings scheint nach einem Monat Brut- und weiteren 3 Monaten Aufzuchtzeit meist nur ein Jungvogel flügge zu werden. Wie alt Schuhschnäbel in der Natur werden ist nicht bekannt, aber in Zoos haben einige über 30 Jahre gelebt. Mit dieser potenziell hohen Lebenserwartung und dem geringen Feinddruck war der geringe Reproduktionserfolg bisher ausreichend für den Arterhalt.

Beim Scannen des Präparats wurden unter dem Sockel Informationen zum Präparat gefunden, die nicht auf dem Etikett vermerkt waren. Unser Exemplar wurde bereits 1873 in Marno (»Mittelafrika«) geschossen und im Jahr 1900 von Präparator Gustav Küsthardt vermutlich vom Balg zur Dermoplastik umpräpariert, um ihn in der Alten Akademie ausstellen zu können. Auch heute hat es trotz deutlicher Schäden, vor allem an den Läufen, wenig von seiner Faszination verloren.

4 Fakten über den Schuhschnabel

  • Alter Bekannter: Bereits 1924 hat der Autor, Fotograf und Tierfilmer Bengt Berg in seinem Buch »Abu Markub. Mit der Filmkamera unter Elefanten und Riesenstörchen« über ihn berichtet, ein Jahr später kam sein gleichnamiger Film in die Kinos. In der Augsburger Puppenkiste ist er als Schusch einer der Freunde von »Urmel aus dem Eis«.
  • Schnabelhaft: Sowohl die deutsche wie auch die englische Bezeichnung »shoebill« nehmen Bezug auf die Form des Schnabels, die an einen klassischen Holzschuh erinnert. Auch sein arabischer Name »Abu Markub«, »Vater des Schuhs«, geht darauf zurück. Der Gattungsname Balaeniceps geht in eine andere Richtung und bedeutet »Walkopf«.
  • Leibgericht: Lungenfische, Flösselhechte und Frösche sind die Hauptbeute des Schuhschnabels. Mit dem Haken an der Schnabelspitze kann die schlüpfrige Beute sicher fixiert werden, bevor sie Richtung Magen wandert.
  • Gefährdung: Seine heimliche Lebensweise erschwert auch die Ermittlung des Gesamtbestands des Schuhschnabels. 2018 wurde er auf 3300-5300 geschlechtsreife Individuen geschätzt und die Art in der IUCN Red List als »vulnerable« (gefährdet) eingestuft. Die Gefährdung geht fast ausschließlich vom Menschen aus: Entnahme der Jungen aus dem Nest und die Trockenlegung von Sumpfgebieten für die Landwirtschaft sorgen für einen Populationsrückgang.

Abbildungen

Abb. 1 (Artikelbild): Der markante Kopf des Schuhschnabels. Scan: Tibor von Zeppelin

Abb. 2: Tibor von Zeppelin mit dem Schuhschnabel im Schauraum der ZSM. Foto: Markus Unsöld

Abb. 3: Tibor von Zeppelin und Praktikantin Martina Darwich positionieren den Vogel auf dem Scanner. Foto: Markus Unsöld

Abb. 4: Mit seinem Glasauge scheint er den Betrachter zu mustern. Der Präparator Gustav Küstardt war ein Meister seiner Zunft. Foto: Markus Unsöld

Abb. 5: Die alte Beschriftung aus dem Schausaal der Alten Akademie. Foto: Markus Unsöld

Markus Unsöld