Größenvergleich Eier

Objekt des Monats Januar 2023

Ei des Madagaskarstraußes Aepyornis maximus (oder Vorombe titan)

Vor mindestens hundert Jahren gelangte ein riesiges Ei als Geschenk eines gewissen Herrn M. Metzger aus Madagaskar als »Ei eines ausgestorbenen Riesenstrausses Aepyornis sp.« in die ornithologische Sammlung der ZSM.

Aus Madagaskar sind heute drei Gattungen von großen Laufvögeln bekannt, deren letzte Vertreter spätestens im 17. Jahrhundert verschwunden waren: Muellerornis modestus, Aepyornis hildebrandti, Aepyornis maximus und der erst 2018 beschriebene Vorombe titan. Aufgrund ihrer Größe bzw. ihrer stämmigen Beine wurden sie auch als Riesenstrauße und Elefanten(fuß)vögel bezeichnet; in der Landessprache heißen sie Vorompatras.

Die Eier dieser Giganten der Vogelwelt fassen bis zu 11 Litern Inhalt, was etwa dem Volumen von 230 Hühnereiern entspricht – ein tierischer Weltrekord! Selbst die Eier der riesigen Sauropoden waren kleiner.

Junge Laufvögel besitzen keinen Eizahn wie die meisten anderen Vogelküken, dafür aber eine besonders kräftige Nackenmuskulatur und starke Beine, mit denen sie die Schale sprengen. Das schränkt auch die Dicke der Eischale ein, neben dem nötigen Gasaustausch durch Poren in der Schale. Andererseits muss das Ei das Gewicht des brütenden Alttieres aushalten. Mit ca. 4mm ist die Schale bei Aepyornis maximus mehr als zehnmal so dick wie die von Hühnereiern.

Ob das Brutgeschäft wie bei den Kiwis, Kasuaren, Nandus und Emus die Aufgabe des Vaters war oder sich die Geschlechter beim Brüten wie bei den beiden afrikanischen Straußenarten abgewechselt haben, ist nicht bekannt. Die nahe Verwandtschaft zu den Kiwis (siehe Kasten) macht ersteres aber wahrscheinlicher.

Über die Ausrottung der Madagaskarstrauße gibt es verschiedene Hypothesen; eine davon besagt, dass die Vögel gar nicht gejagt, sondern nur ihre Eier gesammelt wurden. Demnach weisen zu wenige Knochen Schnittspuren auf, die zustande kommen, wenn Menschen Fleisch vom Knochen trennen, um eine Ausrottung durch übermäßige Jagd anzunehmen. Die Eier wurden in ihrer Gesamtheit genutzt: Der Inhalt wurde gegessen, und die Schalen dienten als Gefäße. Wahrscheinlich bestanden die Gelege der großen Vögel nur aus wenigen Eiern oder sogar nur einem einzigen wie bei den Kiwis, da sie keine natürlichen Feinde hatten. Außerdem wird vermutet, dass sie erst nach mehreren Jahren geschlechtsreif wurden und wie die noch heute lebenden Laufvögel eine hohe Lebenserwartung hatten. Obwohl auf ganz Madagaskar Spuren der Elefantenvögel gefunden wurden, konnte allein durch das Absammeln der Eier innerhalb relativ kurzer Zeit das Populationswachstum gestoppt werden, die Bestände überalterten und die Riesenvögel starben schließlich aus – eine unblutige Art der Ausrottung. Durch die Abwesenheit von Feinden waren die Tiere möglicherweise nicht in der Lage, die menschlichen Eierdiebe abzuwehren.

Schalenbruchstücke gibt es an manchen Stränden in Massen. Diese werden in mühevoller Kleinarbeit »zusammengepuzzelt« und die Eier dann auf den Märkten verkauft. Sehr selten werden in den Sümpfen komplett erhaltene Eier gefunden; das ZSM-Ei ist eines davon.

Ob es sich bei unserem Ei tatsächlich um das von Aepyornis maximus handelt, oder sogar um das des erst vor wenigen Jahren neu beschriebenen Vorombe titan, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, da als Fundort nur Madagaskar angegeben wurde.

5 Fakten über Riesenstrauße

  • Schwerster bekannter Vogel: Anhand von Skeletten, bzw. Teilen (Oberschenkelknochen = Femur) davon, wurde versucht das Lebendgewicht zu bestimmen. Vorombe titan wurde auf bis zu 860 kg geschätzt. Aepyornis maximus erreichte bis zu 500 kg, Aepyornis hildebrandti bis 340 kg, Muellerornis modestus war mit maximal 120 kg der leichteste »Elefantenvogel«.
  • Riesen und Zwerge: Nach Untersuchungen an mitochondrialer DNA sind die nächsten lebenden Verwandten der Riesenstrauße die kleinsten Laufvögel, die Kiwis Neuseelands. Die ebenfalls neuseeländischen, aber bereits seit hunderten von Jahren ausgerotteten Moa-Strauße sind hingegen nicht näher mit ihnen verwandt.
  • Aus der Strauß: Zwar werden immer wieder Sichtungen aus dem 17. Jahrhundert angeführt, aber wahrscheinlich verschwanden die Riesenstrauße schon viel früher. Die jüngsten radiocarbon-datierten Eier bzw. Schalenreste sind etwa 1100 Jahre alt und damit deutlich älter.
  • Eiertanz: Die Eier der Riesenstrauße gelten auf Madagaskar als eine Art Nationalheiligtum und dürfen nur mit Ausnahmegenehmigung außer Landes gebracht werden. Dr. Frank Glaw hat auf den Märkten immer wieder aus Schalenresten zusammengeklebte Eier entdeckt, vom Kauf aus oben genannten Gründen aber abgesehen. Stattdessen hat er eine Kunststoff-Replik erworben, die in der Ausstellung »Fabel-Haft. Der Ursprung der Fabelwesen« zu sehen ist.
  • Tausendundeine Nacht: Der mächtige Vogel Roch, mit dessen Hilfe der gestrandete Sindbad nach seinem Schiffbruch von der Insel entkommt, geht möglicherweise auf Funde der Eier von Riesenstraußen zurück.

Abbildungen

Abb. 1 (Artikelbild): Größenvergleich, von groß nach klein: Aepyornis, Strauß, Emu, Haushuhn, Legewachtel und Kohlmeise. Foto: M. Unsöld, ZSM

Abb. 2: Das historische Schild, mit dem das Ei vermutlich in der Alten Akademie ausgestellt war; davor das Bruchstück einer Schale, das die Dicke zeigt. Foto: M. Unsöld, ZSM

Abb. 3: Das Ei in seiner Vitrine in der Sammlung. Foto: M. Unsöld, ZSM

Abb. 4: Größenvergleich zwischen einem männlichen Afrikanischen Strauß Struthio camelus und Aepyornis maximus. Zeichnung: M. Unsöld, ZSM

Markus Unsöld