Objekt des Monats März 2023

Die Labradorente Camptorhynchus labradorius

Ein sehr rares Exponat ausgerotteter Vogelarten ist die nordamerikanische Labradorente. Nur 54 Präparate dieser Meerente sind weltweit bekannt. Diese geringe Anzahl an Belegen kann verschiedene Gründe haben: die Art war eher selten, wenig begehrt oder schwer zu erlegen; wahrscheinlich spielen in diesem Fall sogar alle Faktoren zusammen.

Obwohl die Labradorente an stark besiedelten Küstenregionen Nordamerikas überwinterte und dort auch gejagt wurde, ist nur wenig über sie bekannt; sie scheint eher scheu und nie wirklich häufig gewesen zu sein. Ab Herbst war sie vor den Küsten New Jerseys und New Englands anzutreffen.

Während die Erpel auffällig schwarz-weiß gescheckt waren, trugen die Enten ein Tarnkleid. Dies deutet darauf hin, dass, wie auch bei anderen Entenarten üblich, nur das Weibchen brütete – was aber nie beobachtet wurde. Denn Brutgebiete sind nicht bekannt, wenn auch einige Inseln im St. Lorenz-Golf und an der Süd- und Ostküste Labradors als solche vermutet werden. So glaubte der Sohn des berühmten Vogelmalers John James Audubon, ein Nest der Art auf Labrador entdeckt zu haben. Dementsprechend sind auch nur 6 mutmaßliche Eier der Labradorente erhalten, die alle in der Sammlung des Museums für Tierkunde in Dresden hinterlegt sind.

Dem Schnabel nach scheint die Labradorente ein an Mollusken angepasster Nahrungsspezialist gewesen zu sein. Sie hatte einen weichen gebogenen Schnabelrand, worauf der Gattungsname Camptorhynchus Bezug nimmt. Vermutlich hat sie damit im Schlamm und Sand nach Nahrung gesucht. Bei einem geschossenen Vogel fand man Schalenreste von Muscheln im Kropf. Für Muscheln als Hauptnahrung könnte auch sprechen, dass ihr Fleisch nicht sehr begehrt war, weil es tranig schmeckte. Zudem war sie manchmal Beifang an mit Muschelfleisch beköderten Leinen. Einige Autoren gehen davon aus, dass auch die küstennahe Schellfisch-Brut zu ihren Beutetieren zählte.

Der an der ZSM aufbewahrte Labradorerpel stammt aus der Sammlung des Herzogs von Leuchtenberg. Leider sind weder Fundort und –zeit noch der Sammler oder Händler auf den beiden inhaltsgleichen Etiketten aufgeführt. Sicher ist nur, dass es aus der Zeit vor 1858 stammt, da die Leuchtenberg’sche Kollektion in diesem Jahr dem Wilhelminum (Alte Akademie) in der Neuhauser Straße übergeben wurde. Ab 1928 war der Labradorerpel im neueröffneten Ausstellungsraum »Ausgestorbene und gefährdete Tiere« für das interessierte Publikum zugänglich. In der Nacht vom 24. auf den 25. April 1944 wurde das Gebäude Großteils zerstört und einige unersetzbare Exponate unwiederbringlich vernichtet; viele der wertvollsten Belege hatte man aber vorausschauend ausgelagert und so gerettet – darunter auch den Erpel.

Wenig überraschend ist, dass das Präparat über die lange Zeit wechselnden Lagerungsbedingungen ausgesetzt gewesen zu sein scheint, wodurch sein Zustand etwas gelitten hat. Wie die anderen Präparate der ZSM wird es im 1986 eröffneten Neubau in einem klimatisierten Magazin unter weitgehend konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit aufbewahrt, um es möglichst lange der Nachwelt zu erhalten.

Markus Unsöld, Sektion Ornithologie der ZSM

3 Fakten zur Labradorente

  • Das Ende der Art: Zwischen 1850 und 1870 ging der Bestand der Art im Wintergebiet stark zurück. Im Herbst 1875 wurde das letzte bekannte Exemplar vor Long Island geschossen. Das Präparat wird wie «Martha«, die letzte Wandertaube, im United States National Museum in Washington D.C. aufbewahrt.
  • Opfer von Umweltverschmutzung? Anders als die Wandertaube und der Karolinasittich scheint die Labradorente nicht durch menschliche Nachstellung verschwunden zu sein. Möglicherweise sind ihre Bestände durch die Abnahme ihrer Nahrung in den Wintergebieten zusammengebrochen; Meeresverschmutzung durch den Ausbau des Schiffsverkehrs (Öl) und Abwässer durch die zunehmende Industrialisierung und eine stark ansteigende Bevölkerung könnten dafür verantwortlich gewesen sein.
  • Abbild: John James Audubon, der berühmte amerikanische Vogelmaler, hat in seinem monumentalen Werk »Birds of America« auch ein Paar der Labradorente verewigt. Wie wohl alle seine Motive malte er es nach frischtoten Vögeln, die er nach seinen Vorstellungen drapiert hatte. Dadurch entstanden teilweise wenig lebensechte Posen, wie auch in diesem Fall.

Bildlegende

Abb. 1 (Artikelbild): Der Labradorerpel aus der Leuchtenberg’schen Sammlung. Foto: M. Unsöld, ZSM

Abb. 2: Die rechte Kopfseite im Detail. Die weichen Schnabelstrukturen sind noch angedeutet, aber nicht mehr klar zu erkennen. Foto: M. Unsöld, ZSM

Abb. 3: Das Etikett enthält leider keinerlei zusätzliche Daten zur Herkunft des Erpels. Foto: M. Unsöld, ZSM