Objekt des Monats Juli 2023

Der Goldgesichtsaki Pithecia chrysocephala

1850 beschrieb Isidor Geoffroy Saint-Hilaire den Goldgesichtsaki als Pithecia chrysocephala, bevor er als Unterart Pithecia pithecia chrysocephala des Weißkopfsakis angesehen wurde und schließlich 2014 wieder Artstatus erhielt. Während die Weibchen beider Arten kaum Unterschiede (evtl. Brust und Bauch beim Goldgesichtsaki kräftiger gefärbt) zeigen, ist die Gesichtsbehaarung der Männchen ganz deutlich verschieden: weißlich bis beige beim Weißkopfsaki, orange bis rotbraun beim Goldgesichtsaki.

Die meisten der von Spix und Martius von der berühmten Brasilien-Expedition (1817-1820) mitgebrachten Affen scheinen eher einem Kuriositätenkabinett entsprungen zu sein als wissenschaftlich wertvolles Material darzustellen. Tatsächlich sind aber viele davon sogar Holotypen, anhand derer neue Arten beschrieben wurden. Ihr »unäffisches« Aussehen liegt daran, dass die bayrischen Präparatoren Anfang des 19.Jahrhunderts noch keine Erfahrung mit Neuweltaffen hatten und aus den über dem Lagerfeuer konservierten Häuten, einigen Schädeln und eventuell noch wenigen Skizzen das Bestmögliche machen mussten. Und so schufen sie Dermoplastiken nach ihren eigenen Vorstellungen, die mit dem typischen Habitus der Arten nichts gemein haben.

Eines dieser Exemplare ist in einer besonders untypischen Pose präpariert: aufrechtstehend, mit ausgebreiteten Armen und gefletschten Zähnen gleicht es eher einem Miniatur-King Kong als einem harmlosen Goldgesichtsaki. Wenn man die Farbtafel in der 1823 erschienenen Monografie »Simiarum et Vespertilionum Brasiliensium Species Novae« (Abb.2) von Spix über neue Affen und Fledertiere aus Brasilien mit dem Präparat (Abb. 1) vergleicht, dann fällt als erstes auf, dass der Mund ursprünglich geschlossen war. Dabei kann es sich um eine zeichnerische »Verschönerung« oder um ein Schrumpfungsartefakt handeln, bei dem sich die Haut um den Mund zurückzog, wodurch das Gebiss freigelegt wurde. Über die mehr als 200 Jahre, zwei Weltkriege und mehrere Umzüge der Sammlung gingen auch einige Finger- und Zehenglieder und die Spitze des Schwanzes verloren, entstanden Risse und Fellverluste. Auch die meisten der anderen »Spix-Affen« haben solche Veränderungen hinter sich: »Hübsch hässlich, aber wissenschaftlich wichtig«, wie es der ehemalige Säugetier-Kurator der ZSM Richard Kraft sehr treffend ausdrückte. Denn auch heute noch werden diese skurril erscheinenden Präparate für wissenschaftliche Fragestellungen verwendet. Durch die minimale Konservierung ohne Gerbstoffe eignen sie sich sehr gut für DNA-Beprobungen.

1823 beschrieb Spix die neue Art Pithecia capillamentosa, doch dieser Name wurde bald nach dem Tod des Autors im Jahr 1826 als Synonym für den Weißkopfsaki Pithecia pithecia (Linnaeus, 1766) angesehen. 1830 machte Spix’s Assistent und späterer Adjunkt der Sammlung Johann Georg Wagler darauf aufmerksam, dass es sich trotz des grünen Standard-Sammlungsetiketts nicht um ein von Spix aus Brasilien mitgebrachtes Tier handle, sondern um ein bereits vorher gesammeltes Exemplar. Sein Nachfolger Johann Andreas Wagner nimmt 1855 darauf Bezug: »Die P. capillamentosa von Spix scheint ein altes Weibchen zu seyn, wo die gelben Haarspitzen ziemlich geschwunden sind; wie Wagler (natürl. Syst. der Amphib. S. 7) bemerkt, kam übrigens dieses Exemplar nicht aus Brasilien. Unter Simia rufiventer etc. scheinen größtentheils Weibchen begriffen zu seyn«. Wahrscheinlich stammen die meisten der diesbezüglich noch vorliegenden Etiketten von Wagner, da die jüngsten der darauf zitierten Quellen auf dessen relativ späte Publikationen verweisen und die Handschrift auf diesen Etiketten durchgehend sehr ähnlich ist.

In ihrer taxonomischen Revision der Gattung Pithecia von 2014 argumentiert Marsh, dass sich der Spix-Typus wegen seiner Weibchen-Fellfärbung nicht eindeutig als P. pithecia oder P. chrysocephala bestimmen ließe (hält ihn aber für P. chrysocephala), bezeichnet daher den Namen P. capillamentosa als nomen dubium (wissenschaftlicher Name, der keinem Taxon sicher zugeordnet werden kann) und präferiert als gültige Art-Identifikation die Beschreibung und Benennung des adulten Männchens von Geoffroy. Nomenklatur und Taxonomie sind aber zwei voneinander unabhängig zu behandelnde Gebiete. Nomenklatorisch gilt der als erstes beschriebene Name, wenn sich das zugehörige Typusexemplar als separate Art herausstellt und als solche bestimmen lässt. Dabei ist heute zweitrangig, ob dies phänotypisch anhand äußerer Merkmale oder genotypisch nach seiner DNA geschieht. Demnach wäre der von Spix gewählte Name P. capillamentosa gültig für den Goldgesichtsaki und P. chrysocephala würde ein Synonym, falls sich letzterer als mit dem ersteren genetisch identisch herausstellt.

Im Nürnberger Tiergarten kann man im Manatihaus eine Gruppe der nahe verwandten Weißkopfsakis ohne Gitter beobachten (Abb. 4).

Markus Unsöld & Martin Spies

Literatur

Marsh, L. K. (2014) A taxonomic revision of the saki monkeys, Pithecia Desmarest, 1804. Neotropical Primates 21(1): 1-165

Wagler, J. A. in: von Schreber, J. C. D, (1855) Die Säugthiere in Abbildungen nach der Natur mit Beschreibungen, Supplementband 5, S. 101. Verlag von T. D. Weigel, Leipzig

Wagner, J.A. (1830): Natürliches System der Amphibien mit vorangehender Classification der Säugthiere und Vögel, S. 6-7. J. G. Cotta’sche Buchhandlung, München, Stuttgart, Tübingen

5 Fakten über Sakis

  • Tendenz steigend: Nach der Illustrated Checklist of the Mammals of the World (2020) umfasst die Gattung Pithecia derzeit 16 Arten, die teilweise sehr kleine Verbreitungsgebiete bewohnen. Wahrscheinlich werden auch zukünftige Expeditionen in den Wäldern Amazoniens noch weitere Arten dieser und anderer Neuweltaffen-Gattungen entdecken.
  • Familienbande: Während andere Arten wie Totenkopf- und Kapuzineraffen in Gruppen durch den Wald streifen, leben Sakis in Familienverbänden aus einem Paar und seinem Nachwuchs und verteidigen ihr Revier gegen Artgenossen.
  • Hoch oben in den Bäumen sind Sakis zu Hause und kommen fast nie auf den Boden. Deshalb können sie auch leicht übersehen werden. Wie bei Regenwaldvögeln bemerkt man sie eher an den Rufen als dass man sie sieht, denn auch sie verlieren im dichten Laub den Sichtkontakt zu ihren Familienmitgliedern und kommunizieren deshalb akustisch mit ihnen oder markieren ihr Revier durch weithallende Rufe.
  • Evolution am Fluss: Für viele Regenwald-Primaten bilden große Flüsse Barrieren, die sie nicht ohne weiteres überwinden können. So können sich auf beiden Seiten eines Stroms durch fehlenden genetischen Austausch aus einer Art Formen entwickeln, die sich als Unterarten oder sogar gut abgrenzbare Arten beschreiben lassen. Bei den nahe verwandten Arten Goldgesichtsaki und Weißkopfsaki dagegen überlappen die Verbreitungsgebiete, und es gibt Individuen mit intermediären Merkmalen, die auf Hybridisierung hindeuten.
  • Gefährdung: Erfreulicherweise gilt der Goldgesichtsaki in der Rote Liste gefährdeter Arten noch als nicht gefährdet; als Bewohner des tropischen Regenwaldes kann sich das leider schnell ändern, wenn sein Lebensraum abgebrannt oder gerodet wird.

Abbildungen

Abb. 1 (Artikelbild): Das Typusexemplar von Pithecia capillamentosa Spix, 1823, wie es heute im Schaumagazin aufbewahrt wird. Foto: M. Unsöld

Abb. 2: Das selbe Präparat in der Monografie »Simiarum et Vespertilionum Brasiliensium Species Novae« (1823).

Abb. 3: Barbara Ruppel malte das Präparat aus verschiedenen Perspektiven. Die sechs angehängten Etiketten stammen vermutlich (aus der Zeit) von Wagler und Wagner. Foto: Tobias Tschepe

Abb. 4: Ein prachtvoll ausgefärbtes Saki-Männchen im Nürnberger Tiergarten. Foto: Roland Wirth