Objekt des Monats August 2023

Der Kakapo Strigops habroptila Gray, 1845

Innerhalb der Ordnung Psittaciformes bildet die Familie Strigopidae die ursprünglichste und die Schwestergruppe zu allen anderen Papageien, die aus nur drei rezenten Vertretern besteht und deren Verbreitung auf Neuseeland beschränkt ist. Aus zahlreichen Dokus und Internet-Clips kennen viele den Kea N. notabilis; weniger bekannt ist der Kaka N. meridionalis. Der wegen seines Gesichtsschleiers auch Eulenpapagei genannte Kakapo ist mit bis zu 4 kg Gewicht die schwerste rezente Papageienart. Sein wissenschaftlicher Name bedeutet »weichfedriges Eulengesicht«.

Ursprünglich beherbergte Neuseeland an Säugern nur drei Fledermausarten. Die Inseln waren eine Art Experimentierlabor der Evolution für Vögel. Diese hatten alle möglichen ökologischen Nischen ausgefüllt und viele Riesen hervorgebracht: unter anderem mehrere Moa-Arten, von truthahngroßen bis zu über dreieinhalb Meter hohen Laufvögeln, mit dem Haast-Adler Harpagornis moorei den größten bekannten Greifvogel und Top-Prädator der Inseln, und eben auch den flugunfähigen Kakapo.

Mit dem Erscheinen des Menschen nahm das Unheil seinen Lauf: um 1280 kamen mit den Polynesiern Pazifische Ratten und Hunde auf die Inseln. Seit der Besiedlung durch die Europäer ab 1840 wurden unter anderem Haus- und Wanderratten, Fuchskusus, Kaninchen, Hauskatzen, Rotfüchse, Hermeline und andere Marderarten, Igel, Gämsen, Himalaya-Tahre, mehrere Hirscharten und domestizierte Nutztiere mitgebracht und freigelassen oder entkamen und verwilderten. Diese als Neozoen bezeichneten gebietsfremde Arten vermehrten sich mangels Feinden und wurden zu Nahrungskonkurrenten oder gar Fressfeinden der nicht auf diese neuen Spezies vorbereiteten endemischen Arten. Selbst unauffällige kleine Spezies wie Stechmücken und Singvogelarten sorgten für Tod und Verderben, da durch sie Vogelmalariastämme einschleppt wurden, mit denen viele neuseeländische Arten nicht zurechtkamen und ausstarben. Zusätzlich jagte der Mensch die durch die lange Abwesenheit von Bodenfeinden nicht auf Flucht oder Verteidigung eingestellten Vogelarten. Schon nach etwas mehr als 100 Jahren hatten die Maori die meisten der Moaarten ausgerottet – und möglicherweise auch deren einzigen natürlichen Feind, den Haast-Adler, der nach Felszeichnungen auch Menschen angriff. Insgesamt sind über 50 nur auf Neuseeland beheimatete Vogelarten durch den Einfluss des Menschen für immer verschwunden.

Auch der Kakapo wurde bereits von den Maori gejagt und seine Haut zu Kleidungsstücken verarbeitet. Richtig gefährlich wurde aber erst die zweite Besiedlungswelle mit den tierischen »Mitbringseln« aus Europa, Asien und Australien. Sein tarnfarbiges Gefieder war tagsüber für den Kakapo ein guter Schutz gegen das einzige Tier, das ursprünglich eine Gefahr für ihn darstellte: den Haast-Adler. Bodenfeinde hatte er nicht zu fürchten und daher wie viele andere flugunfähige Inselarten auch keine Abwehrmaßnahmen gegen sie entwickelt. Deshalb stand er den Hunden, Katzen, Mardern und Schweinen hilflos gegenüber; Gelege und Jungvögel waren leichte Beute für Ratten. 1995 waren noch 50 Kakapos am Leben, davon nur 19 Weibchen.

Eine schlechte Ausgangssituation für das Überleben der Art. Doch glücklicherweise unternehmen die Neuseeländer große Anstrengungen in Sachen Artenschutz und schrecken auch nicht vor großangelegten Tötungsaktionen zurück; so sollen bis 2050 alle invasiven Raubtiere und Nager ausgerottet werden.

Im Fall des Kakapos gab es bereits Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Rettungsversuche, indem man bis zum Jahr 1900 über 200 Individuen auf die vor der Küste gelegene raub- und nagetierfreie Resolution Island umsiedelte. Doch leider gelangten im selben Jahr Marder auf die Insel und vernichteten innerhalb von 6 Jahren die gesamte Population.

Auf der Nordinsel war der Kakapo 1927 endgültig verschwunden. Auf der größeren Südinsel konnte er sich einige Jahrzehnte länger halten. Doch Sichtungen gab es lange Zeit keine. Nachdem bis 1970 unklar war, ob es die Art überhaupt noch gab, wurden im Jahr 1977 einige Kakapos auf Steward Island entdeckt. Doch auch dort waren sie nicht mehr sicher: Verwilderte Katzen töteten zwischen 1977 und 1982 rund 50 % der geschätzten Population. Daher wurden die Papageien von 1980 bis 1992 auf die vorgelagerte Little Barrier Island gebracht, die man vorher ratten- und raubtierfrei gemacht hatte. Mittlerweile wurden weitere Inseln bereinigt und mit Kakapos besiedelt.

Durch das Kakapo Recovery Programm wurde die Art zu einer der wenigen Spezies, bei denen jedes Individuum bekannt ist. Alle Tiere sind beringt, tragen Sender und werden fast rund um die Uhr überwacht. Mitarbeiter berichteten, dass bei Bekanntwerden einer Brut eine Heizquelle unter dem Nest platziert wird, die sich einschaltet, wenn das Weibchen längere Zeit vom Nest entfernt.

2022 war eine sehr gute Brutsaison für die Kakapos, die den Bestand um 25% ansteigen ließ; Ende Februar 2023 gab es 252 Kakapos, so viele wie vor 50 Jahren. Durch einen Überhang an Männchen wurden 2023 erstmals wieder vier Männchen in ein Schutzgebiet auf das neuseeländische Festland übersiedelt. Trotz aller Erfolge bleibt die Art in der IUCN Red List als vom Aussterben bedroht gelistet, da eine erneute Besiedlung durch Raubtiere oder eine Seuche zu einem starken Bestandseinbruch führen kann. Glücklicherweise ist die Population auf mehreren Inseln verteilt, was ein Aussterben der Art durch ein Ereignis unwahrscheinlich macht.

Sehr wahrscheinlich sind von diesem seltenen und ursprünglichen Vertreter der Papageien in den Museen und Sammlungen weltweit mehr Präparate vorhanden als lebende Tiere in der Wildnis. In der Vogelsammlung der ZSM ist ein Balg und ein Standpräparat erhalten. Beim Standpräparat handelt es sich um ein Weibchen, das möglicherweise aus einer Haltung stammt, da es außer dem Geschlecht keinerlei Daten aufweist. Der Balg ist im Eingangsbuch für das Jahr 1926 mit der Nummer 26.65 als Ankauf von einem Herrn Fritsche eingetragen. Auch hier könnte es sich um ein Individuum aus dem Tierhandel handeln, da nur »Neu-Seeland« als Fundort angegeben ist.

Markus Unsöld

5 Fakten über den Kakapo

  • Enthaltsamer Methusalem: Kakapos haben eine Lebenserwartung von 90 Jahren und brüten im Schnitt nur alle 4 Jahre. Für einen großen flugunfähigen Inselpapagei ohne Feinde eine gute Strategie, um die Population nicht zu groß werden zu lassen – aber ein Todesurteil für die Art, wenn sich Prädatoren und Eierräuber einfinden!
  • Flugunfähige Arten wie der Kakapo leben meist auf Inseln; ihre Vorfahren kamen fliegend her, wurden von Stürmen und der Strömung verdriftet oder waren schon dort vorhanden (auf Neuseeland z.B. Moas und Kiwis). Die Aufgabe der Flugfähigkeit hat mehrere Gründe: zum einen war der Flug zur Flucht nicht mehr nötig, da Bodenfeinde (z.B. Raubsäuger und Schlangen) nicht so einfach auf abgelegene Inseln gelangen; zum andern können flugfähige Vögel bei Stürmen mitgerissen und aufs offene Meer getrieben werden, am Boden lebende Arten dagegen sind besser geschützt.
  • Die Nacht zum Tag machen nur drei Papageienarten, neben dem Kakapo die australischen Erdsittiche der Gattung Pezoporus: Der als derzeit nicht gefährdet eingestufte Erdsittich P. wallicus und der vom Aussterben bedrohte Nacht- oder Höhlensittich P. occidentalis, dessen Rückgang wie beim Kakapo vor allem durch verwilderte Hauskatzen und Füchse verursacht wurde. Er ist zwar flugfähig, hält sich aber hauptsächlich am Boden auf und brütet auch dort in Spinifexgras-Büscheln. Über seine tatsächlichen Bestandszahlen kann wegen der wenigen Sichtungen nur spekuliert werden.
  • »Herzklopfen in der Nacht« betitelt der Autor Douglas Adams das Kapitel über den Kakapo in »Last Chance to see/Die Letzten ihrer Art«. Damit umschreibt er die herzschlagähnlich klingenden »Boom«-Balzlaute des Kakapomännchens, die kilometerweit zu hören sind und mit denen es Weibchen zu sich zu locken versucht. Kakapos sind die einzigen Papageien, in deren Fortpflanzungsverhalten von den Männchen speziell dafür angelegte Balzarenen eine Rolle spielen.
  • Ein Papagei als Star: Der Kakapo Sirocco schlüpfte am 23. März 1997 auf Codfish Island und musste wegen einer Atemwegserkrankung handaufgezogen werden. Als Einzeltier wurde er dabei auf Menschen sexuell fehlgeprägt. Durch die Filmreihe von »Last Chance to see«, in der er sich mit dem Zoologen Mark Carwardine zu paaren versuchte, machte er seine Art schlagartig berühmt und wurde zum »Offizieller Botschaftervogel für Artenschutz« ernannt. Mittlerweile hat er in verschiedenen Sozialen Medien sein eigenes Profil. https://www.doc.govt.nz/sirocco.

Abbildungen

Abb. 1 (Artikelbild): Im Portrait sind die Schnabelborsten gut zu erkennen, die dem Kakapo nachts das Erkennen von Hindernissen ermöglichen. Foto: M. Unsöld

Abb. 2: Das Kakapo-Standpräparat weist leider nicht die arttypische Haltung auf. Foto: M. Unsöld

Abb. 3:Der einzige Balg des Kakapo der ZSM. Foto: M. Unsöld

Abb. 4: Das weiche, überwiegend moosgrüne tarnfarbige Gefieder des Kakapo löst seine Gestalt in der dichten Vegetation auf. Foto: M. Unsöld