Objekt des Monats November 2023

Der Maki-Frosch Phyllomedusa chaparroi

Phyllomedusa chaparroi ist ein grüner, etwas kantig wirkender Laubfrosch, der im tropischen Regenwald von Peru verbreitet ist. Die bis über 10 cm großen Tiere bewegen sich meist sehr langsam und springen relativ wenig, sind aber gute Kletterer, die ihre Finger und Zehen einander gegenüberstellen und auf diese Weise Äste und Zweige sicher umfassen können.

Will man »gewöhnliche« Frösche fangen, muss man schon etwas Geschick beweisen, um die springfreudigen Tiere zu erwischen. P. chaparroi und andere Makifrösche reagieren auf menschliche Annäherung hingegen meist völlig entspannt, flüchten eher im Zeitlupentempo oder bleiben einfach sitzen, so dass man sie vom Ast »pflücken« kann. Offenbar haben sie keine Angst vor Fressfeinden, denn ihr Hautsekret verleiht ihnen einen unsichtbaren Schutz.

Dennoch sind diese Frösche nicht unangreifbar. Im Tieflandregenwald der biologischen Forschungsstation Panguana im amazonischen Teil von Peru wurde ein Männchen von Phyllomedusa chaparroi von Ameisen attackiert, die ihm in die Vorder- und Hinterbeine bissen. Der Makifrosch richtete sich daraufhin mehrfach auf und nahm eine für Frösche sehr ungewöhnliche Haltung mit teilweise ausgestreckten Beinen an. Gleichzeitig entließ er einen weißen, zähflüssigen Hautschleim aus seinem Rücken, der an einer Stelle von den Flanken herunterlief und auf diese Weise eine Ameise tötete, die sich an seinem Oberarm verbissen hatte. Ob das ein Zufallstreffer war oder nicht, lässt sich nicht klären, es ist aber offensichtlich, dass die Absonderung des giftigen Schleims durch die Ameisenbisse ausgelöst wurde.

Das Hautsekret der Makifrösche ist auf jeden Fall eine hochinteressante Substanz. Zum Schutz gegen Austrocknung überziehen einige Phyllomedusa-Arten ihre Haut mit einer wachsartigen Schicht. Zu diesem Zweck verreiben sie die Substanz mit ihren Beinen auf dem Rücken. Doch das Hautsekret der Phyllomedusa-Arten ist weit mehr als nur eine körpereigene »Bodylotion«. Vielmehr enthält es eine große Vielfalt pharmakologisch wirksamer Substanzen. Dieser Gift-Cocktail macht die Makifrösche für viele Fressfeinde ungenießbar. Die Hautgifte mancher Arten enthalten sogar psychoaktive Substanzen, die in den letzten Jahren intensiv untersucht wurden. Inzwischen regelrecht berühmt wurden die Hautsekrete des Riesenmakifrosches Phyllomedusa bicolor, einer bis zu 12 cm großen Art aus Amazonien, dessen Hautgift bei Naturheilern und in manchen alternativmedizinischen Kreisen geradezu als Wundermittel gilt, das gegen allerlei Krankheiten helfen soll und erstaunliche Auswirkungen auf die menschliche Psyche hat. Die Behandlung, die mit sehr heftigen Nebenwirkungen einhergeht, erfolgt im Rahmen eines traditionellen Rituals, das von indigenen Völkern angewendet wird und wie die Substanz »Kambô« genannt wird. Um an eine größere Menge des Hautgiftes zu gelangen, werden die Frösche dabei manchmal mit spitzen Hölzchen gestochen, was vermutlich einen vergleichbaren Reiz wie Ameisenbisse darstellt. Inzwischen werden allerdings auch weniger martialische Methoden angewendet, um an Kambô zu gelangen und es für Forschungszwecke und Behandlungen zu gewinnen.

Literatur

Airen. 2016. https://www.welt.de/gesundheit/article158944039/Kambo-das-Wundermittel-aus-dem-Giftfrosch.html

Castroviejo-Fisher, S., Köhler, J., de la Riva, I & Padial, J. M. 2017. A new morphologically cryptic species of Phyllomedusa (Anura: Phyllomedusidae) from Amazonian forests of northern Peru revealed by DNA sequences. Zootaxa 4269(2): 245–264.

Glaw, F. & J. Köhler 2023. A remarkable defence behaviour of the Peruvian monkey frog Phyllomedusa chaparroi triggered by ant attacks (Amphibia, Hylidae, Phyllomedusinae). Spixiana 46 (1): 6

International Association of Kambo Practitioners 2023. What is Kambô. https://iakp.org/what-is-kambo/ Accessed Novemer 24, 2023.

Nogueira, T. A. C., Kaefer, I. L., Sartim, M. A., Pucca, M. B., Sachett, J., Barros, A. L., Júnior, M. B. A., Baía-da-Silva, D. C., Bernarde, P. S., Koolen, H. H. F. & Monteiro, W. M. 2022. The Amazonian kambô frog Phyllomedusa bicolor (Amphibia: Phyllomedusidae): current knowledge on biology, phylogeography, toxinology, ethnopharmacology and medical aspects. Frontiers in Pharmacology 13: 997318.

Pieper, R. & Pieper, R. 2001. Kambô. Die Froschimpfung. Reptilia Nr. 29: 73-78.

5 Fakten über Phyllomedusa chaparroi

  • Phyllomedusa chaparroi ist schon seit Jahrzehnten aus Panguana bekannt, wurde aber bis zur Arbeit von Castroviejo-Fisher et al. (2017) meist als Phyllomedusa tarsius bestimmt. Im Unterschied zu letzterer Art hat P. chaparroi eine fast schwarze Iris. Eine sichere Unterscheidung von P. chaparroi und P. camba ist nur genetisch möglich.
  • Der Artname ehrt den peruanischen Herpetologen Juan Carlos Chaparro Auza.
  • Die Makifrösche der Gattung Phyllomedusa sind mit derzeit 16 Arten in Südamerika verbreitet und gehören zu einer Unterfamilie (Phyllomedusinae) der Laubfrösche (Hylidae). Weitere frühere Phyllomedusa-Arten wurden in die Gattungen Callimedusa und Pithecopus überführt.
  • Die Gattung Phyllomedusa ist eine von vielen Amphibiengattungen, die im Jahr 1830 von Johann Georg Wagler aufgestellt wurden. Wagler arbeitete an der Zoologischen Staatssammlung und verstarb 1832 in München-Moosach infolge eines Schusswaffenunfalls.
  • Paarung und Eiablage erfolgen außerhalb des Wassers an Blättern über stehenden Gewässern. Wenn die Kaulquappen schlüpfen, tropfen sie in das darunterliegende Gewässer, wo sie sich weiter zu Fröschen entwickeln.

Frank Glaw und Jörn Köhler

Abbildungen

Foto 1: Ein von Ameisen attackierter Makifrosch (Phyllomedusa chaparroi) aus Panguana. Foto: Frank Glaw

Foto 2: Als Reaktion auf einen Angriff der Ameisen richtet sich der Makifrosch (Phyllomedusa chaparroi) auf und gibt sein weißes, giftiges Hautsekret aus dem Rücken ab. Foto: Frank Glaw

Foto 3: In Panguana gibt es noch weitere Arten, die bis vor einigen Jahren in die Gattung Phyllomedusa gestellt wurden, wie der hier gezeigte Pithecopus palliatus. Foto: Frank Glaw